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Mühevolles Reisen

Besser wir fahren jetzt. Weg aus Hannover, von wo aus uns die Leute losgeschickt haben.
Um anzugucken, wie ihre Heimaten sind: Wir wollen die Spuren aufnehmen, die damit beginnen, dass Fremde Informationen über ihre Heimat auf eine Postkarte gekritzelt haben.
Die Kugelschreiberskizze eines Schuppens zum Beispiel, ein paar Worte.
Wir wollen in den Orten, an die wir verschickt werden, herumschnüffeln wie Spürhunde.

Im Alltag trampeln wir über die meisten Spuren hektisch hinweg oder mitten rein. Wir haben sie tausendmal gesehen. Viele Abdrücke sind so tief, dass wir gar nicht mehr über ihren Rand gucken können.
Anders ist das beim Reisen, das man auf unterschiedliche Weise praktizieren kann

Panoramisches Reisen kann man zum Beispiel erleben, wenn man mit dem Auto unterwegs ist. Durch die Geschwindigkeit reiht sich ein Landschaftsabschnitt an den nächsten, ein Film entsteht. Es ist warm im Vehikel, genug Proviant dabei, wie an einem gelungenen Fernsehabend. Wir sitzen vor der Fenster- bzw. Mattscheibe und betrachten das Dahinter. Aber wir berühren es nicht. Berührt es uns trotzdem?
Wir hinterlassen eine Spur. Aus Reifenabdrücken, Benzin, aus Schokoriegelpapier, McDonalds-Verpackungsmaterial. In der Zusammenarbeit mit anderen Automobilisten können wir sogar zum entstehen von Spurrillen beitragen. Fahren, fahren, schlafen, essen, nachdenken, fahren, Landschaftsfilm glotzen und so weiter und so fortbewegen wir uns weiter.
Bremsspur. Anhalten. Film anhalten, die Augen tun schon weh. Sie werden beim Panoramischen Reisen im Vergleich zu den anderen Sinnen ziemlich überbelastet. Aussteigen aus dem Auto, Einsteigen in die Landschaft.

Berührungsmomente sind das elementare Merkmal des Mühevollen Reisens.
Walter Benjamins Definitionen von Aura und Spur erklären die Konstitution dieser Berührung. „Die Spur ist die Erscheinung einer Nähe, so fern das sein mag, was sie hinterließ. Die Aura ist Erscheinung einer Ferne, so nah das sein mag, was sie hervorruft. In der Spur werden wir der Sache habhaft, in der Aura bemächtigt sie sich unser.“
Die von Benjamin beschriebene Bemächtigung setzt immer eine synästetische Wahrnehmung voraus.
So müssen wir in dem gammeligen, triefenden Schuppen stehen, das nasse Holz riechen und anfassen, in kleine Ritzen gucken und der Frau zuhören, die erzählt, damit sich die alte Bude unser bemächtigt. Die Aura ist angeknipst. Wir wissen jetzt um diesen Ort. Die Spur die der gelegt hat, dem dieser Schuppen Heimat ist, haben wir dechiffriert und werden belohnt durch Berührung. „Dieser liegt ein Dialog mit dem Gegenüber zugrunde, in der die ichbezogene Verschmelzung mit dem Du enden kann. Im Bezug auf Landschaft…wird hier… von sentimentalen Stimmungen gesprochen“ (Ina Maria Greverus).
Wir sichern Spuren, lesen sie und reisen ihnen mühevoll hinterher. Und hinterlassen selbst welche in der Bewegung, so dass andere uns hinterherschnüffeln können. Aber wir müssen aufmerksam sein und vorsichtig, damit wir nicht irgendwelche wichtigen Hinweise zertrampeln.

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